AZ-Pokal extra vom 3. Dezember 1997


Die Enkel von Herberger und Münzenberg
Alemannia gegen Waldhof: Erst in jüngerer Vergangenheit kreuzten sich ihre Wege


Mit dem SV Waldhof und Alemannia sind zwei Namen untrennbar verbunden: Sepp Herberger und Reinhold Münzenberg. Die beiden begegneten sich in den 30er Jahren im Kreis der Nationalmannschaft. Herberger war zunächst Assistent des Bundestrainers Dr. Nerz und ab 1936 selber "der Chef", während sich Münzenberg durch sein kompromißloses Abwehrspiel, auch bei seinen 41 internationalen Einsätzen, den Beinamen "der Eiserne" verdient hatte.

Über Jahrzehnte sollte die Begegnung der beiden alten Helden der einzige Berührungspunkt zwischen den beiden Verein bleiben, da der SV Waldhof nie über die Regionalliga Süd hinauskam, und die Alemannia nach dem Bundesliga-Abstieg 1970 ebenfalls trotz stets großer Ambitionen nicht mehr den Sprung aus der Regionalliga West schaffte. Erst mit Einführung der eingleisigen 2.Bundesliga kam es im September 1981 auf dem Tivoli zu einem ersten Aufeinandertreffen. Alemannia-Präsident war zu dieser Zeit Egon Münzenberg, Neffe des Aachener Fußballidols Reinhold Münzenberg. Und mit der Entlassung von Erhard Ahmann war nach einem schlechten Saisonstart das Trainerkarussell in Schwung gekommen.

Auch wenn die Alemannia knapp mit 2:1 gewann, und die Bilanz der Meisterschaftsspiele der Spielzeiten 81/82 und 82/83 mit zwei Siegen, einem Unentscheiden und einer Niederlage für die Schwarz-Gelben spricht, am Ende stiegen die Waldhof-Buben in die Bundesliga auf. Wen wundert's, denn in Waldhof hatte Trainer Klaus Schlappner kontinuierlich eine Mannschaft aufgebaut und schließlich mit Erfolg an das Ziel 1.Liga herangeführt, während es in Aachen zu dieser Zeit drunter und drüberging und gleich vier Trainer versuchten, den Traum vom Aufstieg zu verwirklichen und letzlich doch scheiterten. Die Alemannia blieb in der 2.Liga.

Vor diesem Hintergrund ergab die Auslosung im folgenden DFB-Pokalwettbewerb 1983/84 in der 2.Runde die Paarung des Bundesliga-Neulings gegen den ewigen Zweitligisten, auf dessen Trainerbank mittlerweile wieder Erhard Ahmann Platz genommen hatte. Und wieder einmal wurde die Alemannia ihrem Ruf als typischem Pokalteam gerecht.


An diesem Freitagabend unter Flutlicht erspielte sie sich zahlreiche hochkarätige Torchancen und ein Klassenunterschied zwischen den beiden Mannschaften war nicht festzustellen, doch der Ball wollte einfach nicht ins Mannheimer Tor. Als fast alle auf dem Tivoli sich schon auf eine Verlängerung eingestellt hatten, begann eine turbulente Schlußphase, die in der 82.Minute mit der Einwechslung von Helmut Rombach begann. Der erinnert sich: "Ich war leicht verletzt und deshalb auch nicht von Anfang im Spiel. Dem Trainer hatte ich jedoch signalisiert, daß er zur Not auf mich zurückgreifen könnte. So saß ich also auf der Bank, und sah wie auch die Zuschauer im Stadion die Chance einen Bundesligisten aus dem Pokal zu werfen. Mit dem unbedingten Willen dabei mitzuhelfen, kam ich dann kurz vor Schluß doch noch ins Spiel. Bei einer Aktion drang ich in den gegnerischen Strafraum ein, und ungefähr acht Meter vor demTor versuchte der Mannheimer Verteidiger Scholz, mir den Ball vom Fußweg zuspitzeln, traf aber mein ‚Standbein’". Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder pfiff und zeigte ohne zu zögern auf den Elfmeterpunkt. Wayne Thomas, Alemannias sicherer Elfmeterschütze, beschreibt seine Gedanken vor dem Straßstoß heute so: "In der Woche vorher hatten wir auf dem Tivoli gegen den SC Charlottenburg gespielt, der Schlappner saß auf der Tribüne und es gab einen Elfmeter für Aachen. Meine Lieblingsecke war immer vom Torwart links, und so habe ich den auch gegen Andy Köpke, der im Tor der Gäste stand, reingemacht. Jetzt im Pokalspiel war ich gerade deshalb total unsicher. Ich habe mir den Ball geschnappt, bin angelaufen so schnell ich konnte, und habe doch wieder in meine Ecke geschoßen. Der Mannheimer Torwart Zimmermann war zwar mit den Fingerspitzen noch dran, aber der Ball war drin.“

"1:0, Alemannia ist in der 3.Runde! Der Tivoli tobt.", so schrieb AVZ-Sportredakteur Heribert Förster. Und weiter hieß es in seinem Spielbericht: "Lang, lang ist es her, daß die Alemannia so von ihrem Publikum gefeiert wurde, daß den Spielern stehend Ovationen dargeboten wurden. Immer wieder vom rhythmischen Klatschen und 'Ole Alemannia'-Rufen angetrieben, zeigten die Alemannen eines ihrer besten Spiele."

Heute spielen beide Vereine wie vor Jahrzehnten wieder in der Regionalliga und nur ein Sieg im DFB-Pokal bringt die Enkel von Sepp Herberger und Reinhold Münzenberg für einen Augenblick noch einmal ins Rampenlicht der deutschen Fußball-Öffentlichkeit zurück.

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